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Verstrahlt bis in alle Ewigkeit

Zone um den Reaktor

In der verstahlten Zone um den Reaktor von Tschernobyl leben auch heute noch Menschen. Zunächst evakuiert, kehrten viele wieder heimlich in die Heimat zurück.

Auf unvorstellbar lange Zeit hat die Reaktor-Explosion von 1986 die Umgebung von Tschernobyl radioaktiv verseucht. Noch in Hunderten von Jahren werden die radioaktiven Spaltprodukte dort ihre Strahlung aussenden. Doch die Zone ist nicht tot: Etwa 15.000 Menschen leben und arbeiten offiziell hier. Zwei Reaktorblöcke des Atomkraftwerks sind immer noch am Netz. Etwa 2000 Menschen kehrten trotz der Strahlung heimlich in ihre alten Häuser zurück - wie Valentina Kortunenko.

Die 73jährige Rentnerin lebt in dem Dorf Opatschitschi 16 Kilometer vom Kraftwerk entfernt. Zwar wurde sie im Mai 1986 evakuiert, doch sie kehrte in ihre Holzhütte zurück. "Man hatte uns in ein noch viel verseuchteres Dorf gebracht", sagt sie empört. Die Rückkehrer, die von der Zonenverwaltung geduldet werden, sind zumeist Selbstversorger. "Jetzt ist April, und die Tomatenpflanzen müssen in den Garten", sagt sie. Stolz zeigt die alte Frau die Fotos ihrer Enkel, die in Kiew leben. "In den Ferien kommen sie zu Besuch."

Aus Sicherheitsgründen sind 5000 Quadratkilometer rund um das ukrainische Tschernobyl und im nahen Weißrußland gesperrt. Die Zufahrten sind abgeriegelt.

"Hier herrscht ein hartes Strahlenregime", sagt Juri Kusmitsch von der Verwaltung der verseuchten Gebiete. Die radioaktive Strahlung ist bis zu tausendmal höher als in den unverseuchten Gebieten. In der Geisterstadt Pripjat, aus der nach dem Unfall 50.000 Menschen evakuiert wurden, verwüsteten Plünderer die Wohnungen. Die am stärksten belasteten Dörfer wurden mit Planierraupen niedergewalzt. In zehn Lagern stehen verstrahlte Machinen herum. Weiterer Strahlenschutt lagert in 800 Betonwannen von je 15.000 Kubikmetern Volumen. Doch schon jetzt beobachten Wissenschaftler, daß die Strahlenteilchen schneller wandern als erwartet. Sie dringen durch den Beton in den Boden und das Grundwasser ein. (dpa)

 

Aus dem Harz Kurier vom 19. April 1996
von Robert Gegner und Friedemann Kohler